Frieden

Dass Religion des Volkes Opium,

das lässt sich leichthin untermauern.

Und Kommunismus Methadon

vom Arbeiter und Bauern.

Die rote Bibel titelt zufallslos 

von Feindes liebstem Kapital

und lenkt den Geist auf Kohle bloß

- fataler Grat, was bist du schmal!

Ach Kapital-, ach Kommunist,

ach, Moslem, Jude, Christ, Marxist,

was nutzt Ideologie?

- wenn sie bloß Hass und Zwietracht schürt

in Ost und West, von dort nach hie

vom einen Krieg zum nächsten führt

- nicht einen hat vermieden!

Heiliger Strohsack,

erbarme dich unser

und bring den Menschen Frieden!

© sonja schmidt

Friedensgesuch

Tränentropfen rinnen sehr

salzen weiße Wasser noch,

trüben selbst das Mittelmeer,

in der Seele klafft ein Loch.

Schwellen bloße Tosewogen,

schwillt an ihnen schrill der Schrei

lettergroß in Sand gebogen,

bitte, lieber Mensch, verzeih.

Es schnauft das Haupt bevor die Gischt

lammfromm sich zu Boden bricht,

Gesuche aller Art verwischt,

auch meinen – denn man sieht ihn nicht.

© sonja schmidt

Für Dich

Ich fange Deine Tränen auf,

hör zu, mit wachem Schweigen,

trag Dich das dunkle Tal hinauf

bis sich die Blumen zeigen.

Gerietest Du in Kreuzes Feuer

aus schrecklichmenschlichem Spagat,

bliebst Du auch dann mir lieb und teuer –

und ich Dir unverbrüchlich: stets Dein Advokat.

Wollte Dir jemals grelle Galle kommen,

dass Du am Wegesrand zu brechen drohst,

wär ich bei Dir, von allem unbenommen,

und schenkte Dir stabilen Trost.

Ich sende vom askeseschmalen Zimmer,

als masselosen Kuss – sei nicht perplex –

’nen federleichten Frühlingsschimmer

zur Trutzburg Nummer sechs.

© sonja schmidt

Geburtstagsgruß

Ein neuer Tag klopft an die Pforte

vor Jahren – sagt man – bracht er Dich zur Welt,

wohl sprachlos suchte man die Worte

wie es mir Morpheus nachtschlafend erzählt.

Vor Jahren scholl die olle Klingel

- das Band vom Hund in Deiner Hand

auf Kufen schufen wir die Kringel

dann kam der Krieg ins alte Land.

Warf schwefelschwere Splitterbomben,

die schepperten ins Seelengen,

ich fand kein Obdach, nirgends Katakomben,

konnt nichts mehr sehen, nicht stehn, nicht gehn.

Konnt auch nicht hindern, dass die Scheiße

liebster Leute Vorgärten versaut,

dass Wahn den Sinn vollauf zerreiße  

dass selbst der Rückspiegel ergraut.

Nicht alles kann man meiden, lenken,

manchmal ist der Sturm zu stark,

statt Weidezäunen sitzt man hier auf Bänken

im frisch gemähten Mauerpark.

Wäre ich Zauberformeln mächtig,

von Schuld auf Huld, von hart auf zart,

die Blumenbeete blühten prächtig,

in holdem Gold, charmant, apart.

Vom First vom Kapitol in Mitte

schimpft heut kein Rohrspatz, wie es klingt,

es zwitschert ein Pirol die Bitte

damit der Star am Stachus für Dich singt.

© sonja schmidt

Geburtstagstaube

Nach hundert Jahren Finsternis

ohn’ Hoffnung, Liebe, Glauben

pfeift der Spatz heut Dur statt Dis

- ich füttre Friedenstauben.

Und öffne meine Fenster weit

es zählt nur jetzt und morgen

die Kelche stehn auf Sommerzeit

die Welt hält mich geborgen.

Komm, federleichtes Botentier

schön wie Schnee und Sahne

bring dem Geburtstagskind von mir

die weiße Friedensfahne.

© sonja schmidt

Glückwunsch

Für den fabelhaft Weltlichen,

den schlanken mit Format,

den realistischen Träumer,

den Schüchternen mit der großen Klappe,

den Edlen in Jeans,

den Ästheten des Alltags,

den galanten Eleganten,

den egozentrischen Selbstlosen,

das Kind in Nadelstreifen,

den Schöngeist der Börse,

den komisch Seriösen,

den lustvollen Zyniker,

den traurigen Lacher,

den begehrten Einsamen,

den vertrauten Fremden,

den bitteren Zärtling,

den Weichling aus Stahl,

den anonymen Freund,

den Gärtner mit Laptop,

den Transitmann vor Ort,

für Dich:
Many happy Returns of the Day!

© sonja schmidt

Happy New Year

Azurer Augenblick, gottschöner Ernst,

schnörkellos und ohne Hokuspokus,

Sumpfdotter schimmert spät im Herbst,

im Schlamme schlummert Lotus.

Was lenkt die Wege? Was die Sicht?

Wer will schon rütteln an moralisch ehern Stäben?

Azurer Augenblick, was andres war’s ja nicht,

Bleib ich bei mir – denn Du bist längst vergeben.

Ich wünsche schnörkellos, oh Dear,

ein happy und healthy

und very successfulles

New Year!

© sonja schmidt

Kniefall

Vor Deinen Füßen sink ich in den Staub

vertrocknet schwerer Schulden Sol

so lange war der Himmel taub,

so lang die Seele hohl.

Zu Deinen Füßen lege ich

mit letzter Kraft ein Korn

weiß auch nicht, was das Wunder schafft

der Blick geht kaum nach vorn.

Vor Füßen geht die Welt im Spin

während mein Leib im Staube liegt

der Mond geht ab und zu – wohin?

- und wenn der letzte Stern doch lügt?

Aus Schlafes Augen rinnt das Nass

nur ab und zu – wohin?

am Fuß das Korn, der Mond ist blass

während ich längst gestorben bin.

Mit müden Füßen geb ich ab

und atme aus und ein und so

und fällt kein Licht aufs Korn herab

dann findest Du mich nirgendwo.

© sonja schmidt