Realitycheck

Was macht die Realität aus Plänen?

Sie ändert sie. So auch bei mir. Der Kontostand zeigt Mitte Februar bereits 575 und ich kann noch eine ganze Weile nicht weg. Es wird wohl Anfang April, dass ich loskomme, dann vermutlich mit ca. 800 da Vinci-Euros, geschätztes Gewicht: 5 kg. So weit zu technischen Nebensächlichkeiten.

Die Fragen nach einem guten Leben - also auch Zusammenleben - bleiben.

In unserer Kultur, geprägt von den Einsichten der Ratio, die ja tatsächlich über unserem Körper thront, geht vieles schief. So viel ist sicher. Die große Frage ist und bleibt: was bloß, wenn wir doch so klug sind, wie wir von uns selber meinen. Und: warum bloß?

Betrachtet man Leonardos Studie des vitruvianischen Menschen ein wenig genauer, fällt sofort ins Auge, dass der Meister die Ratio zwar über den Rumpf - nicht aber ins Zentrum des Menschen gesetzt hat. Denn den Mittelpunkt des Kreises bildet der Nabel, unter dem unsere Gedärme in kilometerlangen Winden sich gemütlich schlingen. Mit mehr Nervenzellen ausgestattet, als unser kluges Köpchen - gerade einmal 1/10 der Gesamtlänge unserer Statur einnehmend - es sich träumen lassen möchte. Die Hotline jener Unterzellen ist nicht an unsere Ratio gekoppelt, sondern an unsere Emotio. Nicht also an den Neokortex, sondern an den Kortex. Hier wohnt ganz anderes Wissen. Keines, das rechnet, sondern eines, das fühlt. Instinktiv. Seine Informationen formen unser Bauchgefühl, das sich bei so ziemlich jedem von uns nur sehr selten täuscht - ganz im Gegensatz zum hochverehrten König Kopf.

Was lässt sich daraus lernen?

Nun, lernen lässt sich immer nur das, was man bereit ist, zu lernen.

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Ich erinnere mich an dieser Stelle gerne und genau an meinen unvergesslichen Mathematiklehrer. Der uns einbläute, niemals Formeln zu benutzen, die wir ihrem Inhalt nach nicht vollauf verstanden hatten. Und ein weiteres lehrte er uns: macht immer den groben Überschlag mit dem Gefühl: kann das, was die Zahlen da behaupten, rein gefühlsmäßig im Großen und Ganzen überhaupt hinkommen?

Diesen Rat beherzige ich bis heute. Mag es noch so antiquiert erscheinen in Zeiten, in denen man sich stolz von Maschinen diktieren lässt, wann man Kaffee trinken möchte und wann nicht.

Mache ich den groben Überschlag zwischen dem, was mir die Ratio unserer Kultur verkaufen will und öffne zugleich meine fühlenden Augen für das, was ich sehe, dann kann ich nicht anders, als stutzig zu werden.

Es ist etwas faul in unserer Kultur, die sich selbst als unumstößlich ein- und überschätzt. Die systemisch wie systematisch Kostbarstes zerstört, anstatt es zu bewahren. In der die unstillbare Gier nach Materie und Besitz nunmehr unsere eigene Basis auffrisst. Die, trotz ihres offensichtlichen Webfehlers, solche als “primitiv” bezeichnet, die ohne Geländewagen, Tiefkühltruhe, Leasingvertrag, Fernsehgerät und Smartphone barfuß laufen und leben. Hand in Hand mit der Natur. Nicht gegen sie. Die, wenn sie für immer gehen, nichts zurücklassen, was nicht unmittelbar wieder zu Erde wird - und schon gar keine Pest aus Plastik.

Es ist was faul in unserer Kultur. Was nur?!