Schnapsidee

Schnapsideen können es in sich haben. Besonders, wenn sie nüchtern geboren werden.

Der Euro ist an allem Schuld. Nicht irgendein Euro, sondern der schönste von allen, der italienische. Denn er hat die Kraft, Sehnsüchte zu wecken.

Keine Frage, ich liebe meinen Wohnort, den vielzitierten Prenzlauer Berg - auch, wenn er mir dies nicht immer leicht macht. Ein paar Künstler sind ja noch da, ein paar politische Denker auch, ein paar Individualisten, ein paar bunte Vögel, Selbsterfinder, Freigeister. Ein paar.

Und doch habe ich zur Zeit von einigem hier genug. Von den vielen Grünenwählern im SUV mit rekordverdächtigen Miles&More-Kontoständen etwa.

Von den Müttern und Vätern - den besten der Welt - die ihren Sprösslingen das T-Shirt wechseln, wenn eine Seifenblase auf ihm zerplatzt (ungelogen) und deren Welt sich - weder geozentrisch noch heliozentrisch, sondern ganz und gar egozentrisch - ausschließlich um sie selbst dreht - und um ihre Brut. Deren Grammatikbüchlein locker mit einem einzigen Personalpronomen auskommt: ich.

Diese Monokultur, blindlings weitergegeben an die ahnungslosen Keksesser, züchtet stolze Premium-Prinzen und -Prinzessinnen heran - die besten der Welt - die morgen das Ruder übernehmen werden und die Experten heute schon warnend als Tyrannen bezeichnen.

Ich sehe ihrer jeden Tag genug. Und manchmal kriege ich zu viel. Von jener Attitüde, die als die beste der Welt verkauft wird. Zumindest von ihnen selbst.

Denn ich weiß sicherer als sicher, dass sie nichts Gutes hervorbringt - hervorbringen kann. Nicht kurz- nicht mittel- und schon gar nicht langfristig. Denn diese Erde ist ein multipler Makrokosmos, in dem alle mit allen verwoben und verbunden sind.

Keine Kette kann jemals stärker sein, als ihr schwächstes Glied. Ganz gleich, mit wie weich schimmernder Egomanie wir uns vor dieser Wahrheit unsere Augen und Ohren zuhalten, während unserem Nebenmann - nur wenige Zentimeter neben uns - vor Kälte die Hände ab- und die Herzen erfrieren.

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Wenn die einen so viel haben, dass sie nicht wissen, wohin damit, während die anderen - direkt neben ihnen - so wenig haben, dass sie nicht einmal wissen wohin mit sich selbst, um wenigstens zu überleben, dann muss etwas faul sein in unserer Kultur. Mit den einen, die nicht fühlen, dass sie selbst in jedem Augenblick die anderen sein könnten. Und dass das, was hüben übermäßig zu viel ist, drüben so bitterlich fehlt. Jedes Kleinkind versteht dieses Unmaß. Warum nicht wir Erwachsenen?

Strukturen kann man aus der Ferne oftmals klarer erkennen. Daher möchte ich weg.

Die schreienden Schnitte der klaffenden Sozialschere im Fleische der Armen kann ich augenblicklich kaum mehr ertragen. Noch weniger stillschweigend. Daher muss ich weg.

Antworten will ich finden. Auf die vielen Fragen, die stets lauter in mir rufen. Auf Schritt und Tritt, nach Sinn und Unsinn, nach Werten, Worten und Wahrhaftigkeit. Und nach ein paar weiteren Warums.

Warum ist unser Ego unser Gott geworden? Kalt, brutal und blind. Warum spielen wir so selbstverständlich grausam? Und nennen diese Attitüde auch noch aufgeklärt, solidarisch, nächstenlieb?

Müssen wir Menschen so sein? Im Zweifel moralische Missgeburten? Emotional-ethische Webfehler? - oder können wir auch anders?

Wer solche Fragen näher betrachtet, verheddert sich leicht rechts oder links vom Weg in stacheligem Gebüsch. Das will ich nicht. Meine wichtigste Instanz ist und bleibt mein warmes Herz.

Wenn ich fünfhundert schönste Italiener zusammen habe, geht die Reise los. In jenes geliebte Land Europas, in dem mein Geist klarer sieht, mein Verstand weiter denkt und meine Gefühle tiefer empfinden.

So der Plan. Mal sehen, was das Leben aus ihm macht.

Kontostand heute: 100 italienische Euros. Danke an alle Sammelhelfer!