warten

Schalt die Telefone aus

empfang mich ohne Laut

schick den Kleiderschrank nach Haus

leg mich Haut an Haut.

Schenk mir vierzehn Tage Schlaf

halt mich fest geborgen

versichre, dass ich da sein darf

glaub für mich an morgen.

Schütze meine Regenzeit

sei mein sichres Floß

mach die Aussicht wieder weit

schreib Gewissheit groß.

Nach zwei Wochen will ich peilen

- und regnete es immer noch

still in Deinem Fittich weilen

bis zum hellen Sommerloch.

© sonja schmidt

Waldmann

Mittels mächtig rauer Rinde

trotzt das Holz manch rohem Winde.

Und auch der Mensch wittert Potenz

in der Tendenz bei Hammer und hart,

und pflegt mit Latenz und wenig Karenz

den stahlcoolen Part.

Ob Feininger irrte, indem er -klamierte,

dass eines das andere bloß kontrastierte?

und so die Welt erst bestehen lässt?

- was schlummert hinterm Härtetest?

Schweig, bunter Vogel mit vorlautem Schnabel!

Frage nicht immer gleich bis zum Nabel!

Freu dich am Bach, am Borchert, am Brecht

an allem, was ist – Hauptsache, ’s ist echt!

© sonja schmidt

Weihnachtsmann

Herzberührer, Traumverführer,

Kopfverdreher, Trunkverschmäher,

wertverehrter Königssohn!

Schwillt uns das Wasser bis zum Hals,

dann singst Du keine Lieder über Liebe mehr,

dann ist es aus mit Muse und Kultur,

weil dann das große Wettrennen beginnt,

um jeden sauberen Wassertropfen,

den allerletzten Liter Luft,

dann muss man nur noch Löcher stopfen

um nicht zu stürzen in finale Gruft.

Schreibe, Künstler, zögre nicht!

Schreie, Künstler, schweige nicht!

Kunst kommt nur von >Können< nicht

- Kunst kommt gleichsam von der >Pflicht<.

Herzberührer, Traumverführer,

wertedichter Königssohn.

Die Masse schläft, verbraucht und müllt,

und bleibt im Innern unerfüllt,

in Wahrheit aber schrillt er schon

der grelle, helle Weckerton.

Schreibe, Künstler, zögre nicht!

Schreie, Künstler, schweige nicht!

Morgen kommt der Weihnachtsmann,

- und dann?

- und dann?

© sonja schmidt

Wildgemüse

Du machst mich schier im Handumdrehn vollkommen zum Idiot,

an einem Tag bin ich zu cool – am andren werd ich rot.

Ich will doch bloß zum Nachbarn laufen, eben kurz Gemüse kaufen,

strikt nach Gebrauch Salbei und Lauch, auch.

Ganz ohne Not brauchst Du nun Brot, schlenderst herbei – charmant zudem –

und blitzt mir einfach urgewaltig mitten ins System!

Wilderst die ganze Hut im hübschen Hirn umher –

ich wollt doch bloß zum Nachbarn laufen, eben kurz Gemüse kaufen

nun schon chaotisch, völlig idiotisch, hach, was will ich mehr!

Randalierer, mein Verführer! Irgendwann verrat ich Dir,

dass als Geheimnis, hier im Garten, richtig rare Reben warten

ja, und dann, schöner Mann, darfst Du staunend schaun am Gartenzaun!

© sonja schmidt

zaudern

Zaudre nicht, Königssohn!

Juwelen schwimmen eben nicht

In massetrüber Mittelschicht.

Was ist schon Quote, was Kommerz?

in diesen knirsch bedrohten Tagen,

in denen eitle Menschenmonster

der Erde an den Kragen wagen.

Zaudre nicht, Königssohn!

Was ist schon Quote, was Kommerz!

Der echte Steinbruch liegt im heißen Herz,

geh mutig tiefer, weit hinab in Deine Seel,

dort schlummert ungehoben kostbares Juwel.

Die Kettensäge kannst Du dort vergessen,

nimm Hammer, Meißel und beherzten Schlag

und lege frei, was klirrend klar und wahrhaft ist,

und lass den Bauern krähen mit dem Mist.

© sonja schmidt

Zeit

Die Zeiger ticken stur nach Takt

und wissen gar nichts von dem Regen

der grau sich auf die Seele packt

und tiefer sackt, statt Tränen freizulegen.

Auf jungem Gras liegt alter Schlamm

und lässt kein Tagesblinzeln zu

mir ist längst kalt, die Hoffnung klamm

ich möchte rasen – finde Ruh!

Das Wetter wettert gegenlicht

während die Uhr stur weiterläuft,

mein Sonnenbruder hört mich nicht

als Petrus sich ins Koma säuft.

Hundert Jahre sind vergangen

der Wind hat viel Musik gemacht

das Wetter hat sich auch gefangen

und vor dem Morgen kommt die Nacht.

Kein bisschen dunkel – pur azur,

dazwischen lauter Edelsteine

am Gras vom Schlamm nur eine Spur

allein der Mond weiß, was ich meine.

© sonja schmidt

Zufall

Rosmarinkartoffel,

Zufall, ich bin hier!

Du räumst gemütlich mein Geraffel

vom Hocker neben mir.

Herrgott, was hass ich Telefone,

und wie die Tippse sägt,

indem sie ständig bei Dir klingelt,

zumal in meiner Kaffeezone,

glatt das Gespräch in Fetzen legt,

Du hast Du mich bald umzingelt.

Wir schillern vor Unpässlichkeit,

in Zeit und Punkt und Perspektive

inwendig kaum vor Hässlichkeit

- Schatzkästchen inklusive.

Ich halte gut gegründet meine Schranken,

und kann nicht abschaffen, was ist,

ich kann Dich lieben in Gedanken,

einfach, weil Du bist.

© sonja schmidt